Über das Älterwerden

„Im Alter lässt die Leistung nach / ältere Menschen sind unflexibel und stellen sich ungern auf Neues ein / Alter ist nur eine Zahl / man ist so alt, wie man sich fühlt.“ Was kommt Ihnen als Erstes in den Sinn, wenn Sie „ü50“ hören? Nachlassende Leistungsfähigkeit und prägnantere Falten? Oder neue Möglichkeiten und Freiheiten? Eine angenehme Gelassenheit, die auf mehr Lebenserfahrung beruht? Vielleicht stehen Sie noch im Berufsleben und erleben die bitteren Schwierigkeiten, im fortgeschrittenen Alter eine neue Stelle zu finden, obwohl Sie die vielen Vorzüge von reiferen Arbeitnehmenden betonen? Es geht in der Phase des „Älterwerdens“ um mehr als die Frage, ob und wie lange wir graue Haare färben und andere Alterserscheinungen kaschieren oder der Natur ihren Lauf lassen wollen, wenn diese auch nicht ganz unwichtig sind. 

Der Umgang mit Belastungen und negativ erlebtem Stress, mit dem ich mich als Coach beruflich beschäftige, betrifft nicht nur Menschen ab einem gewissen Alter, das ist klar. Und doch ist bei jüngeren Menschen vieles anders. Sie haben noch viel mehr Zeit, andere Wege ausgiebig zu erforschen, wichtige Weichen zu stellen und sich vielleicht sogar ganz neu zu erfinden. Das kann ich in meinem Alter nicht mehr, jedenfalls nicht im gleichen Ausmass. Ja, es gibt sie, die (ü)50-Jährigen, die noch Eltern werden und die 75-Jährigen, die Marathons laufen und Berge besteigen. Keines der erwähnten Beispiele gehört zu meinen Wünschen und Begehrlichkeiten, aber manche Dinge sind für mich definitiv vorbei, das muss ich mir einfach eingestehen. Abschied nehmen gehört nun mal zum Älterwerden. Es gibt Grenzen. Ich kann nicht mehr Ärztin oder Pilotin werden, auch wenn ich mich auf den Kopf stelle. Ich schätze meine pflegerische Grundausbildung nach wie vor, aber mir vorzustellen, dass ich heute vielleicht Webdesignerin werden könnte. Oder Hackerin. Und all die Förderung und Möglichkeiten, die es heutzutage für junge Leute gibt, da könnte einem schon ein Hauch von Neid befallen! Ich könnte mich auch als gut bezahlte Influencerin betätigen. Aber Halt, das kann ich ja immer noch und mit meinen ersten Gehversuchen auf TikTok bin ich möglicherweise auf dem besten Wege dazu ;-)

Spass beiseite - es gibt noch so viele interessante Dinge zu tun und Schönes zu entdecken! Wir wissen inzwischen auch, dass ein reiferes Alter uns nicht daran hindert, Neues zu lernen. Neugierig und mental aktiv zu sein, ist nicht den jüngeren Jahrgängen vorbehalten. Spontan und begeisterungsfähig zu sein auch nicht! Die Anzahl der Lebensjahre alleine ist tatsächlich nicht entscheidend, wie ein Mensch sein Alter empfindet oder wie er auf andere wirkt. Wir kennen wohl alle alt und verbraucht scheinende 45-Jährige und erstaunlich frisch-agil wirkende 80-Jährige. Okay, 45-Jährige noch zu der jüngeren Generation zu zählen, ist wohl eindeutig ein Zeichen, dass ich selber „ü50“ bin! Die Teenager-Tochter einer Kollegin hat kürzlich eine ihrer Lehrerinnen als „mittelalt“ bezeichnet. Es stellte sich heraus, dass diese ca. 30 Jahre alt ist. Nun ja. Zweifelsohne können wir uns deutlich jünger fühlen, als wir tatsächlich sind, wenn wir geistig und körperlich aktiv bleiben. Die Möglichkeiten und den Raum zu haben, solchen gesundheitsfördernden Aktivitäten nachgehen zu können, empfinde ich als ein grosses Privileg. Unter solchen Bedingungen ist es deutlich einfacher, komfortabel und dynamisch älter zu werden und im Alter weitere bereicherndere Erfahrungen zu machen, auch wenn es trotzdem nicht nur einfach ist. Aber mangels attraktiver Alternativen finde ich mich mit den weniger erfreulichen Seiten des Älterwerdens gerne ab und geniesse die guten Aspekte! 

 

P.S. Auch wenn es wichtigere Fragen gibt, gehöre ich übrigens klar zu der Fraktion „Tönen/Färben“. Glücklicherweise überwiegt bei mir haartechnisch gesehen der Farb- gegenüber dem Grauanteil noch klar, aber in dieser Hinsicht könnte ich mir (noch) nicht vorstellen, der Natur ihren Lauf zu lassen. Was halten Sie von „Verjüngungsaktionen“ - sei es bei Frau oder Mann, haartechnisch oder anderweitig? „In Würde altern“ oder ein bisschen „optimieren“? Oder vielleicht beides?

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Kommentare: 3
  • #1

    Roger (Sonntag, 29 August 2021 10:43)

    Kommentar vom 19. Mai
    Toller Beitrag und sehr gut formuliert. Lese jeden
    Blog von Dir, immer mit Genuss. Freue mich auf das nächste Thema. Lg Roger

  • #2

    Elisabeth (Sonntag, 29 August 2021 10:44)

    Kommentar vom 20. Mai
    Wie immer sehr gut geschrieben !
    Mann und Frau altert sicher heute anders als vor 20 oder 30 Jahren. Beispiel: Ich gestern im Wartezimmer beim Arzt (Impfung) gegenüber eine junge Frau in Jeans, Jeansjacke und Sneakers, ich in Jeans, Jeansjacke und Sneakers kurz der Gedanke ob ich über 70 zu alt dafür bin? Nein! Kleide mich seit Jahren so, warum sollte ich das jetzt ändern, fühle mich wohl so. In Würde altern ja, aber Mann und Frau darf auch das Beste daraus machen. Jede und jeder so wie er sich gut fühlt.

  • #3

    Patricia (Sonntag, 29 August 2021 10:45)

    Kommentar vom 20. Mai 2021
    Genau, das finde ich auch! Früher kleideten sich Frauen ab 40 „grossmutterhaft“, das ist zum Glück heute anders! Dass sich die Grenzen zwischen jung und alt verwischt haben, fällt mir z.B. auch bei der Musik auf.